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Merkblatt RA Schaumburger Familiengerichte







Merkblatt für Rechtsanwälte[1] zur Zusammenarbeit im Familienkonflikt:

Ablauf und Zielsetzung der Verfahren nach § 1671 BGB und § 1684 BGB

bei den Familiengerichten im Schaumburger Land

(Amtsgerichte Bückeburg, Rinteln und Stadthagen)



Die Familienrichterinnen der Amtsgerichte Bückeburg, Rinteln und Stadthagen haben sich bereits 2008 darauf verständigt, die sogenannte Cochemer Praxis bei allen Familiengerichten im Schaumburger Land durchzuführen.

Das folgende Merkblatt soll Ihnen als professionellen Beteiligten am Verfahren verdeutlichen, worum es geht.

Das von Familiengericht, Beratungsstelle, Jugendamt, Rechtsanwaltschaft und Sachverständige in Kindschaftskonflikten gemeinsam verfolgte Ziel ist, die Eltern in Trennungs- / Scheidungsverfahren in der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung zu stärken.

Insbesondere soll möglichst vermieden werden, dass ein Elternteil als „Verlierer“ den Gerichtssaal verlässt, da dann auch immer das Kind verliert.

Nach wie vor werden die Besonderheiten des Einzelfalls weiterhin Berücksichtigung finden.

Zum Verfahrensablauf:

Antragsstellung

▶ Rechtsanwalt A beantragt in einem kurzen Schriftsatz an das Familiengericht bzw. mittels des vorgesehenen Formblattes gezielt das, was das Elternteil im Rahmen seiner Interessen gewahrt und geklärt wissen möchte.

▶In der anwaltlichen Beratung im Vorfeld wird dazu eine differenzierte Auftragsklärung auch zur Vorbereitung des gerichtlichen Anhörungstermins durchgeführt.

Die Antragsschrift orientiert sich an den lebensnahen, konkreten Interessen des jeweiligen Elternteils und vermeidet unnötiges Eskalationspotential, globale Forderungen und ausführliche Beschreibungen von wahrgenommenen Missständen, Schuldzuweisungen sollen unterbleiben.

▶Eine Erwiderung ist nicht erforderlich bzw. ebenfalls kurz zu halten. Die Argumentation erfolgt im Anhörungstermin oder weiteren Verfahren. Beide Rechtsanwälte weisen ihren Mandanten frühzeitig auf die Notwendigkeit grundlegender elterlicher Kooperation und auf die Beratungsangebote bei

Jugendamt und Beratungsstellen hin.

Zwischen Antragsstellung und Gerichtstermin

▶Das Familiengericht terminiert in Kindschaftskonflikten innerhalb von 2 - 4 Wochen nach Antragsstellung.

▶Das Familiengericht bestellt einzelfallbezogen einen Verfahrensbeistand in diesem frühen Verfahrensstadium.

▶Die Jugendamtsberichte werden i.d.R. in mündlicher Form direkt in die Gerichtsverhandlung eingebracht.

Gerichtstermin

▶Die Dauer der mündlichen Verhandlung beträgt in der Regel bis zu 2 Stunden.

▶Die Verhandlung wird im Sinne eines offenen Lösungsgesprächs geführt: Moderiert durch die Familienrichterin werden Streitpunkte und Lösungsmöglichkeiten gemeinsam herausgearbeitet. Grundlage dafür ist eine offene Kommunikationsstruktur, in der auch ein direkt geführtes Gespräch zwischen den Beteiligten bzw. zwischen Beteiligten und Jugendamt ermöglicht wird. Die Kindeseltern kommen persönlich zu Wort. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist die Gesprächsvorbereitung durch die beteiligten Rechtsanwälte.

▶Im Falle einer einvernehmlichen Einigung wird der Antrag zurückgenommen oder eine Regelung / Ver-einbarung protokolliert.

Keine Einigung im Gerichtstermin (A): Beratung

▶Kann im Gerichtstermin keine endgültige Einigung erzielt werden bzw. war es den Eltern währenddessen noch nicht möglich, miteinander in ein lösungsorientiertes Gespräch zu kommen, empfiehlt das Familiengericht den Eltern den Kontakt zur Trennungs- und Scheidungsberatung des Jugendamtes oder einer der örtlichen Beratungsstellen.

▶In aller Regel erfolgt eine vorläufige Regelung für die unmittelbar bevorstehenden Umgangskontakte und die Festlegung des Beratungsauftrages.

▶Fallorientiert wird von Amts wegen oder auf Antrag eines der Beteiligten ein erneuter Gerichtstermin in 3 - 6 Monaten festgelegt bzw. die Akten nach 6 Monaten ohne gerichtliche Entscheidung weggelegt.

▶Die inhaltliche Gestaltung des Beratungsprozesses obliegt allein dem Jugendamt bzw. der Beratungsstelle, Schweigepflicht und Vertraulichkeit bleiben gewahrt.

▶Das Jugendamt bzw. die entsprechende Beratungsstelle unterrichtet das Familiengericht von einer Unterbrechung des Beratungsprozesses (keine inhaltliche Information!), wenn die Gesprächstermine zwei Mal in Folge nicht stattfinden konnten und dafür keine nachvollziehbaren Gründe (wie z. B. Krankheit) erkennbar waren. Um mutwillige Verfahrensverzögerungen zu verhindern, wird der angesetzte Gerichtstermin innerhalb der nächsten 4 Wochen durchgeführt.

▶Sollte der Beratungsprozess mehr Zeit erfordern und einen angesetzten Gerichtstermin zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sinnvoll erscheinen lassen, lassen die Eltern so rechtzeitig wie möglich über ihre Rechtsanwälte bei Gericht um Terminverschiebung bitten.

▶Das Gericht entscheidet, ob zeitnah eine Kindesanhörung angebracht ist bzw. die Bestellung eines Verfahrensbeistandes erfolgt. Die Beteiligten werden über das Ergebnis der Kindesanhörung schriftlich informiert.

Keine Einigung im Gerichtstermin (B): Sachverständigengutachten oder Verfahrensbeistand

▶Kann im Gerichtstermin auch keine vorläufige Einigung erzielt werden oder wurde währenddessen deutlich, dass den Beteiligten zur Fortführung der Lösungsüberlegungen wesentliche Informationen fehlen, wird ggf. ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die Einschätzungen des Sachverständigen werden im nächsten Gerichtstermin mündlich vorgetragen und einbezogen.

▶Im Unterschied zur klassischen rein diagnostischen Tätigkeit lässt das Familiengericht den Sachverständigen hier Raum auch zu Konfliktschlichtung. Die Sachverständigen arbeiten daher in der Regel auf ressourcen- und lösungsorientierte Weise mit den Familien; aber auch klassische Begutachtungen sind möglich.


Erneuter Gerichtstermin

▶Im Rahmen eines erneuten Gerichtstermins kommen Eltern, Rechtsanwälte, Verfahrensbeistand, Jugendamt und ggf. der Sachverständige wieder zusammen, mit dem Ziel, eine einvernehmliche Konfliktlösung durch Stärkung der elterlichen Verantwortung herbeizuführen. Einzelfallbezogen entscheidet die Familienrichterin, ob eine gerichtliche Entscheidung zum Sorge- bzw. Umgangsrecht ergeht.

(Stand: Januar 2022)



[1] Zur besseren Lesbarkeit wird jeweils nur eine sprachliche Form genutzt. Es sind selbstverständlich alle Geschlechter (m/w/d) angesprochen.


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